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Ein Blick auf die neue Hetzner Cloud

Hetzner Cloud: Die kleinste mögliche Cloud ist Anfang 2018 an den Start gegangen. Man bekommt schon ganz viel, obwohl fast alles noch fehlt.

ℹ️ Aktualisiert am 26. November 2018: Volumes, Bereitstellung, Images

Flashback 2001: Ich sitze in einem Auto nach Nürnberg. Im Kofferraum: Mein vorinstalllierter Server, in einem 19 Zoll Gehäuse, alle Komponenten einzeln zusammengesucht und eingebaut. Das besondere an diesem Rechner: er enthält eine amtliche Grafikkarte, von der Stange gab es das damals nicht. Beim Rechenzentrumbetreiber Hetzner, damals in der Innenstadt im selben Gebäude wie die deutsche Linux-Distribution SUSE angesiedelt, gebe ich den Rechner ab, dort wird er für die nächsten Monate in einen Serverschrank eingebaut und ans Internet angeschlossen sein. Tags darauf kann ich mich von zuhause auf diesem Rechner per SSH einloggen. Kosten: Anschaffung des Rechners im vierstelligen Bereich, jeden Monat kosten im dreistelligen Bereich.

Heutzutage geht das ein bisschen einfacher und wesentlich günstiger. Innerhalb von Sekunden habe ich beliebig viele Rechner an der Hand, kann sie vom Sofa aus administrieren und genauso schnell auch wieder loswerden. Kosten: ein paar Euro fuffzig. Mit High-End-GPU ein paar Cents mehr.

Früher war Hosting, heute ist Cloud.

Die Hetzner-Basis-Cloud

Anfang des Jahres hat Hetzner nun sein Cloud-Einführungsangebot gestartet. Der Kunde kann aus einer vorgegebenen Liste unterschiedlich vorkonfektionierte virtuelle Maschinen (VMs) starten. Soweit ähnelt es den bestehenden einschlägigen Hosting-Produkten von Hetzner und anderen. Der Unterschied: Diese VMs werden nicht monatsweise, sondern stundenweise abgerechnet. Und es geht noch ein bisschen mehr.

Das Cloud Angebot von Hetzner ähnelt in der Benutzung sehr dem Compute-Produkt von Googles Cloud Plattform (GCP): Durch das Anlegen von verschiedenen “Projekten” lassen sich Gruppen von VMs thematisch zusammenfassen. Verwaltet man beispielsweise die Cloud-Projekte von mehreren Kunden, so lassen sich die Maschinen in Projekte wie “Kunde-A-Prod”, “Kunde-A-Test”, “Kunde-B-DB-Master” oder “Kunde-B-DB-Failover” einsortieren. Eine weitere Gemeinsamkeit zu GCP ist die Möglichkeit, aus der Weboberfläche direkt ein Login auf ein eigene Maschine zu bekommen - freilich nur wenn man keine SSH Keys sondern Username/Passwort nutzt. Hier ist GCP komfortabler, man bekommt direkt eine Shell ohne seine Credentials nochmals eingeben zu müssen. D.h., man muss zur Administration den Browser nicht verlassen.

Rasendschnelle Bereitstellung

Kaffee-Abhängige fühlen sich bei AWS und Azure bestimmt wohl, dort dauert die Bereitstellung eines Servers oft einige Minuten, so daß viel Zeit bleibt, für Nachschub beim geliebten Heißgetränk zu sorgen. Bei Google geht das schon viel schneller. Bei Hetzner allerdings muß man für die nächste Tasse wirklich seine Arbeit unterbrechen, denn die Zeit bis zum ersten Login geht in wenigen Sekunden über die Bühne.

Es stehen alle einschlägigen und auch exotische Linux-Images zur Verfügung, Windows fehlt (Update: Windows Server ist nun verfügbar).

IaaS-only

Wichtig ist es, folgendes zu betonen: Hetzner hat nach eigenen Angaben das kleinstmögliche Cloud-Angebot so früh wie möglich gestartet. Auf keinen Fall soll in diesem Artikel der Eindruck erweckt werden, dass Hetzner sein Angebot nicht schnell weiter ausbaut.

Wäre dem so, so wäre das Cloud Produkt von Hetzner in der Tat enttäuschend: Der Anbieter hat doch lediglich sein bestehendes Hosting-Angebot in moderner Form neu gestartet. Es handelt sich um ein reine Infrastructure-as-a-Service Dienste: VMs, IP-Adressen, Netzwerk, Snapshots, Backup. All dies hat man bisher auch schon in anderer Form bei Hetzner bekommen. Sogar ein Web Service API gab es bisher schon.

Trotzdem lässt das neue Angebot hoffen, dass Hetzner den grossen transatlantischen Clouds in Zukunft einiges entgegensetzen will.

Die moderne Cloud, anno 2009

Als Amazon sein AWS 2009 endgültig vollumfänglich inklusive SLA startete, so bestand das Angebot (neben weiteren Services) aus zwei zentralen Produkten: EC2 und S3. Die EC2 (Elastic Compute Cloud) von damals ist im wesentlichen Hetzners Angebot von heute. VMs on-demand. Für viele ist das heute noch “Cloud”. Doch schon vor 10 Jahren war die AWS-Cloud mehr als nur reines Compute.

Eines der erfolgreichsten IT-Produkte im ganzen Markt ist nämlich S3 (Simple Storage Service). Ein universeller, einfacher, hochverfügbarer und extrem dauerhafter Blob-Speicher. Es ist der grösste Datenspeicher auf diesem Planeten überhaupt. Er speichert einfach alles, vom VM-Image, über Office-Dokumente, Videos bis hin zu Datenbankbackups. Unendlich gross, extrem billig, einfach zu benutzen.

Einen solchen zentralen Dienst – von Anbeginn das Herzstück der Amazon Cloud, und auch das Rückgrad von Azure und GCP – bietet Hetzner bisher nicht an.

Was die Cloud heute so vielseitig und erfolgreich macht

Bei der Gelegenheit würde ich gerne kurz auf den aktuellen Stand der grossen Clouds eingehen. Diese bieten mit ihren Plattform-as-a-Service-Angeboten klassische bis exotische Produkte an, bei denen sich der Kunde um die Installation und den Betrieb nur noch in geringen Maß kümmern muss (“managed services”). Ohne Wechsel des Produktvariante skalieren diese Dienste abhängig vom Nutzerverhalten, ohne dass man sich vorher auf CPUs, RAM oder Speicher festlegen muss.

Dies fängt bei relationalen Datenbanken an (AWS RDS) und hört bei dem Betrieb von Big-Data- Plattformen wie Hadoop (EMR, HDInsight) nicht auf. Schliesslich leben wir im Neuen Zeitalter der KI, und da ist alles mit “Erkennung” bereits ein fertiger Cloud-Service. GPUs lassen sich hinzubuchen.

Die High-end-Tools sind weltweit verteilte Dienste wie Cosmos DB oder Cloud Spanner, die ohne ein weltweites Computernetzwork und Rechenzentren nicht funktionieren.

Natürlich hat jede Cloud auch ihr SDK, API und DevOps-Tooling von git über den automatisierten Build bis hin zum Blue-Green-Deployment.

Und schliesslich, – wir bewegen uns in einer Flughöhe weit über IaaS – die Möglichkeit, das Aufrufen und Skalieren von kleinen Codeschnippseln komplett den sogenannten “serverless” Cloud-Diensten wie AWS Lambda, Azure Functions oder Cloud Functions zu überlassen. Man übergibt den Code und bezahlt wirklich nur noch für die reine Nutzung, profitiert aber von der Elastizität und dem meist exzellenten Management der Cloud.

Bei diesen, für viele Unternehmen neuartigen Geschäftsmodellen für IT beginnt die Cloud ihre wirklichen Vorteile in bezug auf Kostenersparnis und Vereinfachung von IT-Operations auszuspielen. Oder umgekehrt ist die reine Anwendung von IaaS in vielen Fällen in den grossen Clouds teurer als anderswo.

SaaS- oder PaaS-Dienste sind in der Regel auch jene Produkte, die - im Gegensatz zu VMs und Speicher - sehr schwer im eigenen Rechenzentrum anzubieten sind.

Netzwerk-as-a-Service

Der Netzwerk-Aspekt der Cloud wird oft vernachlässigt, ist aber für die Herstellung von IT-Sicherheit in der Cloud zentral und bringt wesentlichen Konfigurationsaufwand und auch Kosten mit sich. Grundlage sind dafür private IP-Ranges (bei AWS heissen die VPC). Diese können dann über frei konfiguriertes Routing, sogennantes software-defined networking miteinander und dem Internet feingranular verschaltet werden. Die Clouds stellen auch Load Balancer als Reverse Proxies zur Verfügung. Somit lassen sich Konstrukte schaffen, für die man im eigenen Rechenzentrum noch eigene Hardware aufbauen muss.

In der Hetzner Cloud werden diese Dienste noch nicht angeboten.

In guter Hetzner-Manier ist der Netzwerk-Traffic bis zu 20 TB umsonst, während viele Clouds ausgehende und eingehende Bytes in Rechnung stellen und nur die cloud-interne Übertragung kostenfrei ist.

Volumes (seit Dezember 2018)

An jedem Cloud Server hängt bei Hetzner eine lokale Disk. Die daraufliegenden Files überstehen ein Löschen des Servers nicht und sie sind von der Größe her begrenzt. Abhilfe schaffen “Volumes”, über das Netzwerk angeschlossene SSDs. Volumes können unabhängig von einem Server erstellt werden und von 10 GB bis zu 10 TB groß sein. Jedes Volume kann an einen Cloud-Server im selben Rechenzentrum angehängt werden, bis zu fünf an einen Server.

Die Hetzner Cloud stellt ausschliesslich SSDs zur Verfügung. Klassische “Spinning Disks” sind nicht im Angebot.

Was noch fehlt

Hier noch ein paar weitere Punkte, wo die Hetzner Cloud den großen Clouds hinterherhinkt.

SLAs. Die vertragliche Zusicherung von technischen Eigenschaften wie Verfügbarkeit und Dauerhaftigkeit ist für den Unternehmenseinsatz unabdingbar.

Sekundengenaue Abrechnung. AWS und GCP rechnen ihre Compute-Ressourcen sekundengenau ab (die erste Minute wird voll berechnet). Wer oft viele kurzlebige VMs nutzen möchte, findet hier ein faires Modell. Noch vorteilhafter bei Azure: Es werden nur volle Minuten berechnet. Die jeweils letzten 1-59 Sekunden der Nutzung schenkt Azure dem Kunden, während sie bei AWS und GCP voll zu Buche schlagen.

Was schon da ist

Die Organisation von Instanzen in Projekte und der Consolen-Zugang per Webbrowser ist ein vielversprechender Start für eine minimale Cloud. Ich bin gespannt, was Hetzner noch aus dem Hut zaubert.